Als Mikrokontext bezeichnen wir in unseren Forschungen einen sehr kleinen Teil der gesamten Wahrnehmung einer Situation. Die gesamte Wahrnehmung einer Situation setzt sich aus vielen Mikrokontexten zusammen, die in Summe alle, mit ihren Reaktionen unsere Wahrnehmung der Situation bestimmen und welche Aktionen sich daraus ergeben. In unserem allgemeinen Verständnis von Wahrnehmung fehlt bisher eine solch feine Differenzierung. Daher bin ich mir bewusst, dass es einige Mühe macht, diese Subtilität nachvollziehen zu können. Ich will versuchen dies an einem Beispiel zu erklären.
Stellen Sie sich vor, Sie haben soeben eine sehr brenzlige Situation im Straßenverkehr überstanden. Noch zitternd halten Sie an und beruhigen sich wieder, es geschafft zu haben. In dieser Situation ist ein Mikrokontext sehr stark anwesend der heißt: „Jetzt beruhige dich, du hast es geschafft.“ Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen, bei solch brenzligen Situationen zittern wir immer erst hinterher, wenn wir es geschafft haben. Was dichten wir mit unserer Angst diesem Zittern danach alles an, was fantasieren wir wegen des Zitterns, was alles hätte passieren können. Es ist jedoch nur ein Hinweis, dass wir es geschafft haben.
Dieser Mikrokontext wirkt jedoch auch in vielen anderen Situationen mit. Sie freuen sich auf ein Ereignis, sind vor Aufregung nervös. Ist dass Ereignis dann eingetreten, wirkt auch dieser Mikrokontext mit.
Sie steigen einen sehr steilen Weg hinauf. Oben angekommen, merken Sie, dass sogar die Beine zittern. Der gleiche Mikrokontext sorgt für dieses Zittern, gleichwohl haben Sie es geschafft. Sie sparen auf ein neues Rad/Auto/Handy und leisten sich Ihren Traum. Mit großer Aufregung nehmen Sie es dann in Empfang. Sie haben es geschafft. Auch in dieser Situation ist dieser Mikrokontext enthalten und wirkt. Dieser Mikrokontext ist für die zittrige Nervosität verantwortlich, wenn wir es schon geschafft haben.
Bei manchen Menschen ist dieser Mikrokontext auch recht stark enthalten in der Wahrnehmung von Situationen in denen sie einen Supermarkt nach dem Einkaufen verlassen.
Dieser Mikrokontext hat noch eine sehr unangenehme Wirkung. In Schulen, Ausbildungen oder Prüfungen in denen mehrere Aufgaben nacheinander erledigt werden müssen, sorgt dieser Mikrokontext dafür, dass die Teilnehmer immer angestrengter werden, je mehr Aufgaben sie erledigt haben. Warum? Nach jeder erledigten (geschafften) Aufgabe wirkt dieser Mikrokontext und sorgt für eine innere Unruhe, denn die Aufgabe ist geschafft und man sollte sich beruhigen. Diese Unruhe ist bis zur nächsten Aufgabe noch nicht abgeklungen. So kann sich die Wirkung von Aufgabe zu Aufgabe verstärken.
Ein einzelner Mikrokontext kann in vielen Situationen enthalten sein. Auch wenn es der gleiche Mikrokontext ist, interpretieren wir ihn meist anders je nach Situation. Auf unserer somatisch vegetativen Ebene hat dieser Mikrokontext jedoch die gleiche Ursache und Wirkung. Es wurde von unserer physischen Wahrnehmung festgestellt, dass dieser Mikrokontext in dieser Situation enthalten ist und entsprechende Reaktionen veranlasst.
(Stand Mai 2024)